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Vom Teufel geritten

Vom Teufel geritten

Photo & Text Joe Haider

Wollen Sie schnell reich werden, den Widerstand der kühlen Rothaarigen von gegenüber brechen, die Sie gestern schon wieder abblitzen ließ, oder nur auf einfache Art und Weise Ihre Hämorrhoiden loswerden? 20 Millionen Brasilianer wissen einen Weg. Ein Sektenreiseführer durch die brasilianische Kultlandschaft von jemandem der auszog und dabei das Staunen lernte.

Man nehme:

1 Ei einer schwarzen Gans

10 g Ammoniaksalz

3 Pfefferschoten

3 frische Blätter der Raute

3 Tropfen Quecksilber eine Prise gemahlenes Rindshorn und zum Drüberstreuen

30 g Meeressand, Dienstag mittags gesammelt.

Diese feinen Zutaten fülle man in ein ungebrauchtes Trinkglas, bedecke es mit gelber Seide und binde es mit einem schwarzen Faden. Ein kurzes Gebet zu "Xoroke", verbunden mit einer gepfefferten Prise Glauben und einer Portion Inbrunst vervollständigen dieses Gericht. An der Tür eines reichen Mannes, einer Bank oder schlicht und einfach vor Ihrem zuständigem Finanzamt deponiert und mit einigen Kerzen gaumenfreundlich garniert, sorgt es für die Lösung Ihrer finanziellen Probleme.

Während sich die halbe Welt mehr, oder wenn es schneller gehen soll, weniger redlich bemüht, auf einen grünen Ast zu kommen, greifen viele Brasilianer auf diese doch verhältnismäßig einfache Prozedur zurück, um reich zu werden. Welche Erfolgsquote dabei zu erwarten ist, steht in keinem der zahlreichen Bücher über "Macumba", die jedes Jahr in beachtlicher Zahl mehr oder weniger offen über die Ladentische wandern.

"Macumba" ist ein Sammelbegriff, der sich hauptsächlich in Kardecismus, Condomble, Xango, Umbanda und dessen absolut schwarzen Magiezweig Quimbanda aufteilen lässt. Diese Kulte sind mit Ausnahme des aus Frankreich stammenden Kardecismus sehr alt und haben sich wie keine andere Religion rasend schnell verbreitet.

Alleine in Brasilien, so schätzt man, besuchen 20 Millionen zumindest ab und zu spiritistische Kultstätten, an denen Tiere den Göttern geopfert werden. Laut Umfrage glauben 80 Prozent aller Brasilianer an ihre Wirkung. Sie befinden sich dabei in guter Gesellschaft. Diktator Getulio Vargas, der die Geschicke dieses Landes jahrzehntelang bestimmte, genauso wie Jocelinho Kubitschek, der die neue Hauptstadt Brasilia aus dem Boden stampfen ließ, waren Eingeweihte. Auf Haiti bediente sich der verstorbene Diktator Duvalier (Papa Doc) erfolgreich des Voodoo, das genauso wie Macumba eine Form des afrikanischen Yoruba-Kultes ist, um seinen Untertanen mordsmäßigen Schrecken einzujagen. Viele Kultmorde gehen auf sein Konto.

Umbanda, der am schnellsten wachsende Zweig füllt bei Großveranstaltungen ganze Stadien mit Armen und Reichen jeder Hautfarbe. Bürgermeister, Schlagersänger und Generäle übernehmen dabei die Patronanz. Bei den Festen der "Yemanjá" versammeln sich alleine bei Sao Paulo in den Nächten zwischen dem 1. und 2. Februar mehr als eine Million Gläubige, um der Göttin des Meeres zu huldigen. In einer Talkshow im brasilianischem Fernsehen versetzte eine Umbandapriesterin das halbe Studiopublikum in Trance und den Talkmaster in panischen Schrecken. Macumbaheilungen via TV ließen Blinde sehen, Lahme gehen und die Einschaltquoten steigen. Sie verstörten dabei anwesende Ärzte und entzückten die millionenfache Seherschaft.

Auf den Geschmack gekommen? Wollen Sie den gewonnenen Reichtum auch noch mit dem Partner Ihrer Wahl verprassen? Kein Problem - Als richtiger "Macumbista" wissen Sie auch dafür eine Lösung. Besorgen Sie sich eine Flasche "Cachaça" (Zuckerrohrschnaps) in der nächsten Spirtuosenhandlung und leeren Sie diesen am Fuße der alten Eiche im Park Ihrer neu erworbenen Döblinger Villa aus. Schreiben Sie den Namen der angebeteten Person auf die Rückseite eines Fotos mit Ihrem strahlenden Konterfei und verbrennen Sie dieses an der mittleren von drei aufgestellten Kerzen. Im Feuer werden Sie vereint und schon bald können Sie an Ihren Erben herumbasteln.

Alleine im 17. Jahrhundert wurden ca. 600 000 Sklaven aus Westafrika nach Brasilien verschifft und mit ihnen gleichzeitig Ihr Glaube importiert. Mit dem christlichen Gott, der auf einer Wolke thronend mit erhobenem Zeigefinger seine Verbote über die Menschheit schleudert, konnten sich die handfesteres gewohnten Farbigen wenig anfreunden. Unter dem beinharten Druck der "barmherzigen" Jesuiten setzten sie einfach ihren "Olurun", dessen Name nicht ausgesprochen werden darf und durch niedere Gottheiten (sog. Orixas) mit den Menschen verkehrt, mit dem Gott der Mönche gleich. "Oxala", der oberste Orixa wird in der Gestalt von Jesus Christus angebetet und "Yemanja", die Mutter der Orixas, der Eitelkeit nachgesagt wird und der billiges Parfüms, Schmuck und Puderdöschen geopfert werden, wurde zur Jungfrau Maria.

Die Padres lächelten milde und die Sklaven waren auch zufrieden, da die Weißen doch so schöne Tempel gebaut hatten, so dass sie ihren afrikanischen Göttern gebührend huldigen konnten. 1930 wurde in Salvador do Bahia von drei freigelassenen Sklavinnen das erste Condomble-Zentrum auf, wie die Zukunft zeigen sollte, fruchtbarem Boden gegründet. In Folge vermischten sich die rein afrikanischen Riten mit den Naturreligionen der Indios, woraus anfangs regional begrenzt, verschiedene Kultzweige entstanden.

Jetzt soll es allein in Rio de Janeiro 30 000 und in Sao Paulo 42 000 Tempel geben. Gerade in größeren Städten kann man fast nicht mehr unbeteiligt bleiben. Gutsortierte Geschäfte der dritten Art führen außer Rhythmusinstrumenten, Heiligenfiguren und Kräutern auch Kleinode wie Liebeselexiere, eingelegte Schlangenköpfe und getrocknete Fledermausflügel. An unzähligen Straßenecken, unter Bäumen und am Strand findet man Opfergaben, sogenannte "Despachos". Kleine Geschenke an die Götter, wie Zigaretten oder Alkohol, werden auf provisorischen kleinen Altären ausgebreitet und mit brennenden Kerzen versehen.

Da Köpfe von Opfertieren besondere Zauberkräfte haben, werden auch diese, oft hübsch verpackt und mit Schleifchen versehen, beigelegt. Niemandem, mit Ausnahme von einigen neugierigen Touristen, würde es einfallen, diese Gaben auch nur anzu-rühren, da man sonst den Zorn der Orixas auf sich lenken würde. Und dieser kann fürchterlich sein.

Die oben genannten Praktiken fallen unter dem Oberbegriff "Weiße Magie", da sie ihrem Zweck nach noch eher gutartig sind. In dem schwarzen Magiezweig "Quimbanda" läßt man sich von "Exus" helfen, die so symphathische Namen wie Mistgabel, Kreuzweg oder Schädel haben. Sie sind Personifikationen des Teufels und werden die Drecks-arbeit für Sie erledigen. Die bösesten und zugleich mächtigsten unter ihnen sind ein doppelköpfiger Belzebub mit Hörnern und Ziegenfuß samt seinem Weib, der königlichen Hure "Pompa Gira", die beide in Friedhöfen wohnen und auch dort verehrt werden.

Nehmen wir an, dass auf Ihrem Weg zum endgültigen finanziellem Durchbruch eine Person empfindlich stört. Ein 'mieser kleiner Steuerprüfer etwa, der die Frechheit besitzt, in Ihrer Buchhaltung einige Ungereimtheiten zu beanstanden. Mit Hilfe eines Exus können Sie dieses Problem Beseitigen. Columbo, Derrick und Mike Hammer würden sich an diesem Fall die Zähne ausbeißen.

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Man nehme eine schwarze Kröte und nähe ihr mit einem schwarzen Faden das Maul zu und binde an jeder ihrer Zehen einen langen ebensolchen an. Danach hänge man das noch immer lebende Tier in gespreizter Haltung über offenes Feuer und lasse es, dabei sind Besitzer eines Gasherdes im Vorteil, über mittlerer Hitze leicht anbräunen. Es ist allerdings genaues Timing angebracht, da Sie es um Mitternacht wenden müssen. Nicht damit es dann beidseitig gar ist, sondern um dem Krötenbraten zu sagen, dass er jetzt und in diesem Zustand, bei der Macht des Satans dafür Sorge tragen soll, den Betreffenden langsam sterben zu lassen.

"Kröte, nimm seine Gesundheit in dein Maul und lass ihn sterben." Nach dieser erfrischenden Aufgabe stecken Sie den übrig gebliebenen Klumpen in ein Einmachglas, versigeln den Deckel mit Wachs und vergraben es. Bei richtiger Ausführung sollte ihr "Problem" jetzt damit beginnen, keines mehr zu sein. Je stärker der Zauber sein soll, desto mächtiger muss die spirituelle Kraft sein, die dahintersteckt und desto größer auch die Opfer. Kinder bieten sich, da sie viel Lebensenergie besitzen, leider besonders an. 1977 ging zum Beispiel ein Fall von mindestens fünf Menschenopfer im Alter von fünf Monaten bis dreißig Jahren, die von einer bahianischen Sekte abgeschlachtet wurden, durch die Weltpresse.

Zwar ist die Praxis der schwarzen Magie verboten, da aber die Polizei gewaltigen Horror vor diesen teuflischen Spielen hat und die Opfer meist Straßenkinder sind, die niemand vermisst, kann wenig dagegen unternommen werden. 5.

Als "gelernter" Österreicher wissen Sie ja wohl, dass nichts umsonst ist. So auch hier! Einige Kleinigkeiten müssen Sie schon noch über sich ergehen lassen, bevor Sie die Kröte besorgen. Bis zu den höheren Weihen dauert es ziemlich lange. Währenddessen lernen Sie die Trommeln zu schlagen, für die Götter zu singen und einiges mehr. Ihr "Pae de Santo", der Oberpriester Ihrer Gruppe wirft nach Schamanenart seine "Kauris", Muscheln, Münzen und Knöchelchen, um Ihren persönlichen Gott festzustellen und bereitet Sie darauf vor, von ihm besessen oder "geritten" zu werden.

Vor dem Aufnahmezeremoniell, das am besten mit der Firmung zu vergleichen wäre, geht Ihre Lockenpracht zum Teufel. Nach der) Rasur bekommen Sie einen langen Schnitt in Ihre Kopfhaut. Ein Opfertier, meist eine weiße Ziege wird über Ihnen geschlachtet und Ihr Blut mit dem des Opfers auf Ihrem Körper verschmiert, während die übrigen Mitglieder die Götter herbeisingen. Durch einige rituelle Waschungen, nicht nur mit Wasser, sondern auch mit gekochtem Reis und Bohnen werden Sie anschließend von Ihrer Sündenlast befreit.

In einem Zeremonienzimmer ohne Fenster können Sie sich, angesichts verschiedener Speiseopfer und des Ziegenkopfes, die in der tropischen Hitze schnell zu faulen beginnen, bis zu vier Wochen lang entspannen. Wenn Sie währenddessen keine Visionen bekommen, sind Sie selbst schuld. Nach dieser Erholung können Sie sich dann in Trance, von Ihrem Gott geritten, tanzend, zuckend, stöhnend und schreiend austoben.

Die Orixas werden durch unterschiedliche Rhythmen angelockt und manifestieren sich in den Körpern der Gläubigen, wobei ein Säbel, gewissermaßen als Antenne, dazu dient, die kosmischen Kräfte einzufangen. In Trance haben Sie all jene Charaktereigenschaften, die dem jeweiligen Gott zugeschrieben werden. Ihre Stimmlage ändert sich genauso wie Ihr Gesichtsausdruck. Männer können genau so gut von einem weiblichen "Spirito" besessen sein und umgekehrt, wobei dann oft mit dem jeweilig "anderen Geschlecht kokettiert wird.

Sollte Ihr Interesse an dieser Materie geweckt sein, können Sie auch als gewöhnlicher Tourist daran teilnehmen. Viele Hotelportiers werden Ihnen auf diesbezügliche Anfrage, natürlich gegen angemessenes Trinkgeld, unter vorgehaltener Hand eine Adresse nennen, die allerdings meistens sehr touristisch angehaucht und wenig empfehlenswert ist. Es gibt natürlich auch "Maes- und Paes de Santos", die aus ihrem Glauben ein Geschäft machen, wie es andere mit anderen Religionen auch tun.

Sollten Sie allerdings doch Glück haben, ist es fast unmöglich, davon nicht hingerissen zu sein. Es ist wie ein Rausch, der auch kritische Außenstehende miteinbezieht. Die Kultmitglieder zeigen zweifellos ein Selbstbewusstsein und eine Stärke der Persönlichkeit, die beeindruckend sind. Aber besser noch, als alle Beschreibungen, charakterisieren die Worte eines Busfahrers aus Rio die Faszination der brasilianischen Götterwelt: "Nach dem Tanzen in Trance fühle ich mich wie neugeboren. Wer wie wir glaubt, braucht keine Drogen und keinen Alkohol um die Alltagssorgen zu vergessen. Wir gehen hin zu den Göttern und sie führen uns zurück in ein hoffnungsvolles Leben."

Sollte Ihr Interesse an dieser Materie geweckt sein, können Sie auch als gewöhnlicher Tourist daran teilnehmen. Viele Hotelportiers werden Ihnen auf diesbezügliche Anfrage, natürlich gegen angemessenes Trinkgeld, unter vorgehaltener Hand eine Adresse nennen, die allerdings meistens sehr touristisch angehaucht und wenig empfehlenswert ist. Es gibt natürlich auch "Maes- und Paes de Santos", die aus ihrem Glauben ein Geschäft machen, wie es andere mit anderen Religionen auch tun. Sollten Sie allerdings doch Glück haben, ist es fast unmöglich, davon nicht hingerissen zu sein. Es ist wie ein Rausch, der auch kritische Außenstehende miteinbezieht. Die Kultmitglieder zeigen zweifellos ein Selbstbewusstsein und eine Stärke der Persönlichkeit, die beeindruckend sind. Aber besser noch, als alle Beschreibungen, charakterisieren die Worte eines Buschauffeurs aus Rio die Faszination der brasilianischen Götterwelt: "Nach dem Tanzen in Trance fühle ich mich wie neugeboren. Wer wie wir glaubt, braucht keine Drogen und keinen Alkohol um die Alltagssorgen zu vergessen. Wir gehen hin zu den Göttern und sie führen uns zurück in ein hoffnungsvolles Leben."

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